Prof. Gerd Chesi
Ethnologe, Fotograf, Autor, Sammler
Reinhard Diezl, das vernachlässigte Talent
Reinhard Diezl (*1948) zählt zu den wichtigsten Vertretern der Neuen Abstraktion in Österreich. Nach zahlreichen Ausstellungen im In- und Ausland verweigerte der damals junge, schon renommierte und äußerst erfolgreiche Maler 30 Jahre lang konsequent jeden öffentlichen Auftritt. Mit der Dynamik und Leidenschaft eines Besessenen malt er sich seine Bilder von der Seele. Dabei stellt der Betrachter erstaunt fest, dass sich sein Leben nur zum Teil in den Bildern spiegelt. Es ist jener Teil, in dem er die große Dimension anstrebt, das Überformat, das schon immer sein Denken und Handeln bestimmt hat. Reinhard Diezl ist nicht der Mann fürs Filigrane. Er ist der Großzügigkeit verpflichtet, im Leben wie in der Kunst. In diesem Punkt können seine Bilder als Spiegel seiner Existenz verstanden werden. Ganz anders aber scheinen die Bildinhalte gelagert zu sein. Hier ist nichts von seinem lockeren Lebensstil zu finden, im Gegenteil, die reduzierten Farbflächen, deren sensible Strukturen aus tieferen Schichten leuchten, wirken kontrapunktisch zu seinem Naturell und seiner Lebensart. Zwei Möglichkeiten bieten sich dem Künstler: Er reflektiert sein Inneres und lässt es als Bild erstehen oder er setzt seiner emotionalen Befindlichkeit etwas Konträres entgegen. Das scheint Reinhard Diezl getan zu haben. Fast minimalistisch wirken seine Bildinhalte, reduziert auf Flächen und Linien, die ohne Schnörkel und verspielte Details ernste und klare Bildinhalte schaffen. Dass er es ernst meint mit seinen Bildern, wird bald klar. Da gibt es nur wenig, was er daneben gelten lässt, die Begeisterung an seiner Arbeit ist genauso evident wie jene für ihre Resultate. Malerei ist kein Beruf, kein Hobby und auch keine Passion, mit der man die Tage füllt, sie ist fast schicksalhaft mit seinem Leben und seinen Visionen verbunden. Der Drang, sich mitzuteilen, der Wunsch, etwas zu erzählen und andere an den Erkenntnissen und Fantasien teilhaben zu lassen, das ist die Kraft, die seinen Bildern innewohnt. Kunst ist ihrem Wesen nach Kommunikation, und so darf es nicht verwundern, wenn es den Künstler in die Öffentlichkeit drängt. Sich mitzuteilen und zu zeigen, was unter den Ablagerungen des Lebens zum Vorschein kommt, das kann ihn und den Rezipienten bereichern. Dabei ist die Sprache seiner Kunst niemals simpel. Sie zu verstehen heißt, über die Fähigkeit zu abstrahieren und über die Gabe, Symbole zu erkennen, zu verfügen. Dieses Erkennen bedarf keiner theoretischen Stütze, es kann sich emotional oder empirisch vollziehen. Wer die Inhalte seiner Bilder erfühlen kann, wird der Wahrheit sehr nahe kommen. Reinhard Diezl ist seinem Wesen nach ein Künstler, der die Emotion vor das theoretische Konzept stellt. Wie sollte man auch seinen Bildern mit wissenschaftlichen Kriterien begegnen? Im Gegenüber einer blutroten Fläche, aus der sich monochrome Elemente zu raffinierten Strukturen erheben und luzide Ahnungen den Betrachter erfassen, verblasst jede Theorie. Wer die Botschaften zu erfühlen vermag, dem werden sich Welten von großer Schönheit erschließen. Für jene, die dazu nicht fähig sind, ist Reinhard Diezl der falsche Adressant. Das Wesen der Vielfalt ist immer von der Gefahr begleitet, dass nicht alles verstanden und geliebt wird. Doch auch ein unverstandenes Bild hat seine Berechtigung, besonders dann, wenn es ein gutes Bild ist. Prof. Gert Chesi